22 August 2013

Drogenpolitik im Wahlkampf 2013

In einem Monat wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. In der heißen Phase des Wahlkampfes hauen uns die Politiker jede Menge hole Phrasen und leere Versprechungen um die Ohren. Ein scharfes Profil ist bei den Parteien kaum vorhanden, ihre Ziele für den Fall einer Regierungsbeteiligung sind in blumig formulierten Wahlprogrammen nieder geschrieben. Was die wichtigsten Parteien in Deutschland in Sachen Drogen- und Suchtpolitik vor haben sollte also dort zu finden sein. Drogenguide hat sich als Drogen Wahl-O-mat versucht.

"Gemeinsam erfolgreich für Deutschland" heisst das Programm der UNION (CDU/CSU). Das Wahlprogramm der Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel findet für den Suchbegriff "Drogen" nur einen Treffer. CDU und CSU möchte der steigenden Kriminalität in den grenznahen Regionen zu Polen und Tschechien, u.a. dem Drogenhandel, eine größere Aufmerksamkeit schenken. Dazu will die UNION für eine angemessene Ausstattung der Polizeikräfte an den deutschen Grenzen und eine noch engere Verzahnung der Zusammenarbeit von Bundespolizei und Landespolizeien in Grenznähe sorgen. Etwa durch gemeinsame Polizeistreifen und Einsatzeinheiten. Auch die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit soll weiter gestärkt werden. Eine Änderung in der Drogen- und Suchtpolitik ist also nicht zu erwarten, wenn die UNION weiter regiert.

Auch im “Bürgerprogramm” der FDP gibt es das Thema Drogen- und Suchtpolitik nicht wirklich. Der eine Treffer zum Suchwort “Drogen” ist nur der Vergleich “Schulden sind wie Drogen” Darüber hinaus findet sich eine Lobby getriebene Forderung die ich hier 1 zu 1 wiedergeben möchte. “Genussmittel, die frei verkäuflich und legal handelbar sind, dürfen nicht durch Werbeverbote und Handelsbeschränkungen vom Markt gedrängt werden. Eine derartige Bevormundung der Verbraucher ist mit dem Leitbild des mündigen Bürgers nicht in Einklang zu bringen. Solche Eingriffe in die Marktwirtschaft und in die Entscheidung mündiger Verbraucher lehnen wir grundsätzlich ab”. Nur auf strikten Jugendschutz bei Tabak und Alkohol möchte auch die FDP nicht verzichten. Bei behördlichen Kontrollen von Gastronomiebetrieben hüpfen die Liberalen von einem Bein aufs andere, sie halten sie für wichtig wollen sie aber nicht übertreiben. Eine Änderung in der aktuellen Drogen- und Suchtpolitik wird es also auch mit der FDP nicht geben. Zumindest keine die die Profite der Alkohol und Zigaretten Industrie schmälert.

Bei Herausforderer Peer Steinbrück von der SPD firmiert das Wahlprogramm unter “Das wir entscheidet”. “Wir” scheinen uns aber nicht viel aus Drogen- und Suchtpolitik zu machen. 0 Treffer bei den Suchworten “Drogen”, “Alkohol” und “Jugendschutz”. Nur zum Rauchen findet sich etwas. Wahrscheinlich haben die Genossen dabei ihren überall rumqualmender Altkanzler Helmut Schmidt vor Augen. Wörtlich heisst es: “Nach wie vor ist Tabakkonsum das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Im Sinne einer vorsorgenden Gesundheitspolitik wollen wir verstärkte Anstrengungen bei der Tabakprävention und beim Schutz aller vor den Gefahren des Passivrauchens unternehmen”. Eine neue “Drogen und Suchtpolitik” ist also auch bei einer SPD geführten Bundesregierung nicht zu erwarten.

Anders bei den GRÜNEN. Ihr Programm “Zeit für den grünen Wandel” hat allein beim Suchwort Drogen 26 Treffer. Prävention, Hilfe und Entkriminalisierung haben sich die GRÜNEN auf die Fahnen geschrieben. Sie fordern eine, an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung aller (auch bislang illegaler) Drogen. Neue Verbote, wie zum Beispiel eine Stoffgruppenregelung bei Legal Highs lehnen sie ab. Dazu soll die Strafverfolgung von Drogenkonsumenten entfallen und zielgruppenspezifischen und niederschwelligen Angebote in der Drogen- und Suchthilfe gestärkt werden. Bestehende risikominimierenden Maßnahmen, wie Spritzentauschprogrammen und Drogenkonsumräumen, sollen durch Substanzanalysen (Drugchecking) ergänzt werden. Auch die Substizutionsmöglichkeiten für Opiatabhängige sollen verbessert und die Aufklärung zu Drogen und Sucht an den Schulen verstärkt werden. Der Nichtraucherschutz soll gestärkt und der Einfluss der Tabakindustrie begrenzt werden. Die E-Zigarette soll als gesundheitlich weniger schädliche Alternative zum Tabakkonsum erhalten bleiben. Bei Cannabis möchten die GRÜNEN eine legale Abgabeform über lizenzierte Fachgeschäfte schaffen und den Eigengebrauch und privaten Anbau von Drogen wie Cannabis entkriminalisieren. Dazu soll auch die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol durch das Fahrerlaubnisrecht beendet werden.

Auch im Programm von DIE LINKE (100 Prozent sozial) ist dem Bereich Drogen und Sucht ein größerer Abschnitt gewidmet. Das zeigen schon die 19 Treffer für das Stichwort "Drogen". DIE LINKE will Kriminalisierung und Ausgrenzung entgegenwirken. Stattdessen möchte sie drogenbedingte Probleme reduzieren und Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Rauschmitteln schaffen. Sie möchte auf Strafen für Konsumenten verzichten und auf Prävention und Aufklärung setzen. Die psychosozialen Betreuung von Drogenabhängigen, sowie deren Substitutionsmöglichkeiten (z.B. mit synthetischen Heroin) sollen verbessert werden. Um die Gesundheitsgefahren zu verringern, sollen Drug-Checking-Angebote zur Prüfung auf Verunreinigung von Drogen ermöglicht und kostenlose saubere Spritzbestecke zur Verfügung gestellt werden. DIE LINKE setzt sich für ein umfassendes Werbeverbot für Tabakprodukte, auch im Sponsoring sowie der Plakat- und Kinowerbung ein. Cannabis möchte DIE LINKE weitgehend legalisieren. Neben einer erleichterten Verwendung für medizinische Zwecke, soll der private Anbau und Cannabis-Clubs auf nichtkommerzieller Basis erlaubt werden. Auch im Straßenverkehr soll THC bis zum Grenzwert einer akuten Fahruntüchtigkeit geduldet werden. Spielautomaten sollen "weniger suchtauslösende Eigenschaften aufweisen" und in gastronomischen Einrichtungen ganz verboten werden. Der Drogenmarkt soll reguliert werden, um ihn der organisierten Kriminalität zu entziehen. Interessant ist das Die Linke zur Volksdroge Nummer 1 "Alkohol" im ihrem Programm kein Wort verliert (0 Treffer). Klientelpolitik?

Die PIRATEN (Wir stellen das mal in Frage) halten sie für kompetent genug die Deutsche Drogen- und Suchtpolitik komplett umzubauen. Bei ihnen gibt es keine illegalen Drogen mehr, alles ist erlaubt. "Das Ziel unserer Drogen- und Suchtpolitik ist eine selbstverantwortliche und sozialverträgliche Genusskultur." Die PIRATEN setzte allein auf eine umfangreiche, nicht auf die Schulen beschränkte, Prävention und Aufklärung. Dazu gehört auch ein ausnahmsloses Werbe- und Sponsoringverbot für Sucht erzeugende Stoffe. Für Drogenkonsumenten soll eine Risiko- und Schadensminimierung erreicht werden. Dazu sollen problematische Substanzen (z.B. wegen schädlicher Streckmittel) bei einer bundesweiten Online-Meldestelle erfasst werden. Auch das Angebot an Drogenkonsumräumen und Diamorphinbehandlungen (Ersatzdroge) soll verbessert werden. Bei Cannabis soll zunächst der Besitz bis 30 Gramm erlaubt und der Zugang zu Cannabinoidhaltige Medikamenten verbessert werden. Für die Teilnahme am Straßenverkehr unter THC Einfluss sollen Grenzwerte definiert werden. Das Betäubungsmittelgesetzes soll de facto neu geschrieben werden. Nur wenn eine Fremdgefährdung realistisch nicht ausgeschlossen werden kann, sollen Freiheitsrechte eingeschränkt werden. (Polizeiliche) Register über Drogenkonsum sollen nicht geführt werden. Kontrollen auf Drogenkonsum dürfen nur bei gefährlichen Berufen und Tätigkeiten durchgeführt werden. Der freie Handel und Gebrauch von e-Zigaretten soll nicht über den Jugendschutz hinaus eingeschränkt werden. Eine Aufnahme ins Nichtraucherschutzgesetz oder eine Besteuerung nach dem Tabaksteuergesetz lehnen die PIRATEN ab. Für einen besseren Verbraucherschutz für alle Drogenkonsumenten, fordern sie einen Modellversuche für lizenzierte Fachabgabestellen. In diesen soll der Verkauf von Tabak, Liquids für e-Zigaretten, Spirituosen und anderen psychotropen Substanzen durch qualifiziertes Personal erfolgen. Jugendlichen soll der Zutritt jedoch verwährt bleiben.

Natürlich ist Drogen und Suchtpolitik kein großes Thema im Wahlkampf. Sowohl die aktuelle Koalitionspartner von UNION und FDP, als auch die SPD schenken dem Thema keine große Aufmerksamkeit. Bei den eher links-alternativen Parteien GRÜNE und LINKE sieht das anders aus. Sie würden einiges anders machen und liegen in ihrer Drogen- und Suchtpolitischen Forderungen nicht weit auseinander. Am weitesten gehen die PIRATEN, die nichts weniger als eine Legalisierung aller Drogen anstreben. Die Parteien am erzkonservativen bzw. rechten Rand AFD und NPD haben zu dem Thema nichts zu sagen. Letztere möchten lediglich der Bekämpfung von Drogenkriminalität eine hohe Priorität einräumen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz härter bestrafen. Ihren Einzug in den Bundestag halte ich für höchst unwahrscheinlich. Sicher dürfte aber sein das keine Partei alleine eine Regierung bilden wird. Entscheidend wird also sein was im Koalitionsvertrag steht bzw. aus welcher Partei eine eventuell neuer Drogenbeauftragter der Bundesregierung kommen wird. Spannend wird es also vor allem nach dem 22. September 2013.


09 August 2013

Dopingrepublik Deutschland

Man kann sie für eine "Sommerlochverfüllung" oder ein "künstliches Wahlkampfschlachtfeld" halten. Die am Montag nach viel Hickhack von der Berliner Humboldt-Universität veröffentlichte Studie "Doping in Deutschland". In dieser wird belegt das Doping im Spitzensport nicht nur im Osten Deutschlands systematisch durchgeführt und politisch gewollt war, sondern auch im Westen. Natürlich konnte sich der Sport dem "kalten Krieg" nicht entziehen. Er war vielmehr eines von mehreren Schauplätzen in denen die Systeme um die Vormachtstellung kämpften. Das da nur eine Seite mit harten Bandagen kämpft war ohnehin unwahrscheinlich. Allerdings möchte ich mich hier nicht mit der Frage auseinandersetzen ob wir das "Wunder von Bern" (Fußball WM Sieg 1954) nun jetzt nur dem heute als "Crystal" bekannten "Pervitin" zu verdanken haben oder nicht. Vielmehr frage ich mich was lernen wir für die Zukunft daraus? Kommt eine Leistungsgesellschaft überhaut ohne Doping aus? Und wäre es nicht besser Doping zu erlauben, damit wenigstens alle Sportler die gleichen Chancen haben?

Doping hat nur eine Ursache und die heißt Leistungsdruck. Egal ob beim Sportler selbst, bei Trainern, Funktionären oder in der Politik. Was zählt sind nur Siege, Medaillen und Rekorde. Das war damals beim Kampf der politischen Systeme nicht anders als heute beim Kampf um Medienpräsenz und Sponsoren. In einer modernen Gesellschaft wird von dem einzelnen immer mehr Leistung erwartet. "Burn Out" und "Doping" sind die Schattenzeiten unserer Zeit. Wobei letzteres gar nicht so negativ belegt ist. Selbst in der Werbung ("Doping für die Haare") findet es seinen Platz. Der moderne Erfolgsmensch rüstet sich für die an ihn gestellten Anforderungen. Illegal ist dabei nur was in der Dopingliste des Arzneimittelgesetz (AMG) steht. Eine Liste die es 1954 noch gar nicht gab. Und selbst wer sich heute mit Stoffen dieser Liste dopt, macht sich nur über den Besitz der jeweiligen Substanz strafbar. Hier wäre eine eindeutigere Grenzziehung wünschenswert.

Eine eindeutige strafrechtliche Relevanz von Doping wäre auch der richtige Weg die Kontrollen in vertrauenswürdige , weil neutrale Hände zu legen. Denn die nationalen Sportverbände wollen damals wie heute Sieger produzieren. Die Versuchung gerade bei neuen Dopingvarianten beide Augen zu zudrücken ist also permanent vorhanden. Zu den strengen und häufig kritisierten Dopingkontrollen der World Anti-Doping Agency (WADA) sehe ich keine Alternative.

Ein unregulierter Umgang mit Dopingmittel hätte fatale folgen. Um sportliche Erfolge feiern zu können wäre es unabdingbar seinen Körper mit Dopingmitteln zu überschwemmen. Nicht mehr die  sportliche Leistung würde über Sieg oder Niederlage entscheiden, sondern die Fähigkeiten der Pharmakologen.  Das zeigen auch Äußerungen von des Dopings überführten Tour de France Teilnehmern, allein um Chancengleichheit zu erreichen müssten Sportler ihr Gesundheit mit leistungsfördernden Substanzen nachhaltig schädigen.  Tote und schwerkranke Leistungssportler wären an der Tagesordnung,  sie sind schon heute leider keine Seltenheit mehr. Wir allen jubeln gerne wenn unsere Sportler siegen aber fairen sportlichen vergleich kann es nur ohne Doping geben.


Foto: © freeze_pictures - Fotolia.com