31 Dezember 2015

Drogenjahr 2015

Der Jahresrückblick 2015 zu den Themen Drogen und Sucht.

Zum Start ins neue Jahr gab es im Januar gleich zahlreiche Erfolgserlebnisse für Polizei und Zoll. Mit Weihnachtspapier getarnt finden Zollfahnder fünf Kilo Marihuana und ein Kilo Crystal bei einem Pärchen, das in Seifhennersdorf aus Tschechien einreiste. Zwei Kilogramm Crystal fand die Polizei im Hohlraum eines Mercedes-Transporters von zwei Dresdnern die in Sebnitz die Grenze überquerten. Am Bahnhof in Oldenburg/Holstein wurde ein 35-jähriger sogenannter „Body-Packer” festgenommen, der 106 Behälter mit 800 Gramm Kokain und 200 Gramm Heroin geschluckt hatte. Er war unterwegs nach Skandinavien.


Aber auch weniger erfreuliches gab es im Januar. Armin N. (53) muss sich wegen dem Besitz von 1,8 Kilo Kokain vor dem Landgericht Kempten verantworten. Der Polizeihauptkommissar war Chef der Drogenbekämpfung im Allgäu und das obwohl er selbst süchtig war. Der Stoff war ihm von der Staatsanwaltschaft Kempten zu Schulungszwecken überlassen worden. Erst als sein Konsum zu immer gewalttätigeren übergriffen auf seine Frau führten, flog die Sache auf. Verurteilt wurde er zu 6,5 Jahren Gefängnis plus 15 Monate Drogenentzug.


Im Februar sprach das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein denkwürdiges Urteil (Az. 9 L 541/14). Demnach rechtfertigt auch passiver Cannabis-Konsum einen Führerscheinentzug. Im verhandelten Fall glaubte das Gericht dem Mann nicht, dass er am Vorabend nicht selbst gekifft habe, dazu war der THC-Gehalt im Blut zu hoch. Doch selbst wenn er, wie angegeben, am Vorabend nur mit  ausgiebig rauchenden Freunden zusammen gesessen hat. Auch beim passiven Rauchen kann ein bewusster Konsum unterstellt werden. Er hätte sich daher darüber im Klaren sein müssen, dass er nicht mehr verkehrstauglich war.


Ende Februar wurde in Leipzig Kriminalgeschichte geschrieben Da wird der 20 Jährige Maximilian S. verhaftet. Der in Folge als "Kinderzimmer-Dealer" bezeichnete Kopf hinter der Website “Shiny-Flakes”, betrieb aus der elterlichen Wohnung heraus einen gigantischen Drogenvertrieb. In zwei Jahren hatte er fast eine Tonne Drogen verkauft, 320 Kilo verschiedenste Substanzen wurden bei ihm sichergestellt. Nach weiteren Durchsuchungen und einer Pressekonferenz Anfang März waren die Shiny-Flakes-Kunden in Aufruhr, die Polizei hat ihre Namen und Adressen. Maximilian S. wurde mittlerweile zu 7 Jahre Gefängnis verurteilt.


Im März wurde in Irland für einen Tag versehentlich diverse Drogen legalisiert. Möglich macht das ein Urteil des irischen Berufungsgerichtes, das ein altes Verbots-Gesetz für verfassungswidrig erklärte. Wie die irische Tageszeitung „Irish Examiner“ berichtete seien bestimmte Ergänzungen des Anti-Drogen-Gesetz von 1977 ungültig. Und zwar die, die die kontrollierte Abgabe bestimmter Substanzen erlaubte. Bis vom irischen Parlament ein neues Gesetz verabschiedet werden konnte, waren der Besitz von Drogen wie Ecstasy oder Benzodiazepinen straffrei. Von der „Gesetzeslücke“ waren rund 100 Drogen betroffen.


Die im April veröffentlichte Rauschgiftlage 2014 zeigt einen Anstieg der Drogentoten um drei Prozent auf 1.032 Personen. Während die Anzahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von Heroin, Kokain und Crack seit Jahren zurückgeht, steigt die Anzahl der Todesfälle nach dem Konsum von Amphetaminen und Metamphetaminen. Auffällig ist die um das Fünffache gestiegene Anzahl der Todesfälle nach dem Konsum Neuer Psychoaktiver Stoffe (NPS), so genannter „Legal Highs“.


Bei ihrem Parteitag im Mai in Berlin schreibt sich die FDP die Legalisierung von Cannabis ins Parteiprogramm. Mit einer Mehrheit von 62 Prozent stimmten die Liberalen für die Legalisierung der Droge. Unter strikten Auflagen soll sie, in ausgewählten Geschäften, an Erwachsene verkauft werden können. Damit konnte der Parteinachwuchs von den Jungen Liberalen (JuLi) einen Erfolg feiern, der seit Jahren für die Legalisierung wirbt. Eine staatlich kontrollierte Freigabe könnte, nach Meinung der FDP, dem Schwarzmarkt den Boden entziehen. Cannabis sollte dann wie Zigaretten besteuert werden. Mit den zusätzlichen Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro, sowie dem eingesparten Geld bei Justiz und Polizei, möchte die FDP dann Maßnahmen für Jugendschutz und Drogenprävention bezahlen.


Im Mai gibt es ein hartes aber gerechtes Urteil in New York. Der Gründer des Online-Drogenbasars „Silk Road“  Ross W. Ulbricht (31) muss Lebenslänglich ins Gefängnis. Ulbricht nutzte das damals neue elektronische Zahlungsmittel Bitcoins, sowie eine von der US Marine (Naval Laboratories) entwickelte Technologie namens „Tor“.  Daraus schuf der kriminelle Student einen vollkommen anonymen Schwarzmarkt für Waffen, Drogen und Kinderpornos im Netz. Silk Road soll laut FBI einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 70 Millionen US-Dollar generiert haben.  


Anfang Juni gab es eine „Drogenrazzia“ bei der Piratenpartei in Chemnitz. Sieben Kripobeamte und ein Staatsanwalt stellen in der Geschäftsstelle Vogelfutter aus Hanfsamen sicher. Die von absoluter Bedeutungslosigkeit bedrohte Partei hatte sich mit Hanfsamen eingedeckt, um diese zu verteilen. Ausdrücklich deklariert als Vogelfutter, wollten die Politiker so gegen die Kriminalisierung von Cannabis protestieren. Der Zusatz auf dem Flyer: „Man kann die Samen auch in die Erde drücken, denn Vögel mögen Denkspiele,“ fand die Staatsanwaltschaft nicht so lustig.


Im Juni gab es dazu mal wieder eine Rekord-Feststellung von Drogen in Mexiko. In der nordmexikanischen Grenzstadt Tijuana entdeckten sie fast 42 Tonnen Marihuana, verpackt in 5271 Paketen im Keller eines Hauses. Die Behörden nehmen an, dass die Drogenpakete dem Arellano-Félix- oder dem Sinaloa-Kartell gehören. Beide Gruppen sind in der Region an der Grenze zu den USA aktiv und lieferten sich auch in diesem Jahr tödliche Revierkämpfe.


Im Juli wurden bei der „Operation Salan“ mit rund 60 tschechischen Zöllnern eine Bande die mit Cannabis handelte zerschlagen.  Bei der Razzia in Prag und Brünn nahmen die Beamten vier Drogenhändler fest. Ein weiterer wurde in der Slowakei gefasst. Außerdem fanden die Beamten in drei Autos über 45 Kilogramm Marihuana, das gerade nach Deutschland transportiert werden sollte. Bei Hausdurchsuchungen stießen sie auf Plantagen mit insgesamt 420 Pflanzen. Die Drahtzieher stammten aus Vietnam.


Im August urteilte das Landgericht Ravensburg das Bier nicht mit “bekömmlich” beworben werden darf. Die Brauerei Härle aus Leutkirch in Baden-Württemberg hatte einige ihrer Biersorten mit dem Begriff „bekömmlich“ angepriesen. Der Berliner Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) fand, dass der Begriff die Gefahren des Trinkens von Alkohol verschweigt und untersagte, per einstweiliger Verfügung, die Werbung mit dem Begriff. Diese Anordnung bestätigte das Gericht: “gesundheitsbezogene Aussagen zu Alkohol in Werbeslogans sind verboten”.


Ebenfalls im August gab es mal wieder eine größeren Kokainfund in Bananenkisten. Als die Arbeiter eines Essener Großmarktes die Kisten nach faulem Obst kontrollierten, fanden sie 100 Kilo Kokain. Die Lieferung für einen deutschen Discounter kam offenbar über den Hafen im niederländischen Rotterdam, die Polizei vermutet, dass die Drogen gar nicht in Essen ankommen, sondern auf dem Weg ausgetauscht werden sollten.


Im September zeigte sich wie schnell die Wirkung von Drogen unterschätzt wird. In der Lüneburger Heide vergifteten sich 29 Menschen bei einer bei Mediziner-Tagung. Rund 90 Mitarbeiter vom  Roten Kreuz, 70 Feuerwehrleute, 15 Rettungswagen und ein Hubschrauber mussten sich um die durch Amphtaminkonsum zum Teil schwer benommenen Heilpraktiker kümmern. Diese hatten die Wirkung der verbotenen Droge 2C-E (auch Aquarust genannt) unterschätzt. Das ging einer 35-Jährigen in Idar-Oberstein mit einer so genannten Kräutermischung  (auch “Legal High” genannt) ebenso. Nur bezahlte sie das Unterschätzen mit ihrem Leben.


Im Oktober urteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über einen Vorstoß des Grün-regierten Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Demnach dürfen in dem Berliner Bezirk auch weiterhin keine “weichen” Drogen wie Haschisch und Marihuana in Coffeeshops verkauft werden. Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken ist demnach mit dem Betäubungsmittelgesetz nicht vereinbar. Der Alternativbezirk wollte mit der Legalisierung auch den ausufernden, kriminellen Drogenhandel im Görlitzer Park und dem RAW-Gelände eindämmen. Dem Urteil folgte noch im selben Monat die Zerschlagung eines dortigen Drogenhändlerrings. Dabei werden 5 Personen verhaftet sowie drei Kilogramm Marihuana und 25.000 Euro Bargeld beschlagnahmt.


Im November gab es das Urteil im Prozess gegen drei Bundespolizisten der Inspektion in Klingenthal. In bis zu 30 Fällen hatten die insgesamt 80 Gramm Crystal geschmuggelt. Zwei wurden vom Amtsgericht Zwickau zu Haftstrafen zwischen neun Monaten und einem Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Dienstgruppenleiter Sascha H. (42) kassierte neun Monate Haft ohne Bewährung. Er soll seinen Kollegen mit dem Codewort „windstill“ mitgeteilt haben, dass keine Kontrollen stattfinden. Die Drogen schmuggelten die Beamten für den Eigenbedarf.


Im Zuge der Ermittlungen zu dem Terrorangriff von Paris vom 13. November, bei dem radikale Islamisten 130 Menschen töteten, gerät auch eine Droge in Focus der Öffentlichkeit. Offenbar gibt es Hinweise, dass die Attentäter eine synthetische Droge namens „Captagon" konsumierten, um sich auf die Anschläge in der französischen Hauptstadt vorzubereiten. Diese ist fast ausnahmslos im Nahen Osten zu finden und beliebt bei den Kämpfern des „Islamischer Staat“. Sie dämpft Gefühle wie Schmerz, Furcht oder Hunger und hält die Kämpfer wach. Das hat Captagon bereits den Spitznamen „Dschihadisten-Droge“ eingebracht.


Im Dezember kündigte mit Kanada das erste Land aus der Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7) an, Cannabis zu legalisieren. Damit kommt der neue, liberale Premier Justin Trudeau (43) einen Wahlkampfversprechen nach. Der Konsum soll im Laufe des nächsten Jahres straffrei werden, eine entsprechende Gesetzesreform sei schon in Arbeit. Ein ähnlicher versuch im Jahr 2004 scheiterte noch am Druck aus den USA, doch damit ist diesmal nicht zu rechnen


Joko Winterscheidt gelang es im Dezember bei „Joko gegen Klaas - Duell um die Welt" tatsächlich das Niveau in deutschen Fernsehen nochmals zu senken. Bei einer Challenge schluckte er das  Halluzinogen „Ayahuasca",  ein Rauschmittel aus Ecuador das potenter wirken soll als LSD. Bereits nach wenigen Minuten bekam Herr Winterscheidt die Wirkung der Droge  zu spüren. Der TV-Kasper muss sich plötzlich übergeben und kann sich nicht mehr eigenständig bewegen. Die mehr als fragwürdige Challenge wurde heiß diskutiert, echte Konsequenzen hatte das unverantwortliche Handeln der beiden natürlich nicht.

04 Dezember 2015

FreD für Crystal Meth

Endlich kommt FreD auch nach Sachsen und nicht irgendein FreD, sondern ein FreD für Crystal Meth. „FreD“ steht für „Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. Das Konzept gehört zur selektiven bzw. indizierten Suchtprävention. Also eine Form der Drogenprävention die sich an eine spezielle Zielgruppe richtet. Im Fall von „FreD“ ist die Zielgruppe zwischen 14 und 21 Jahren alt und praktiziert einen riskanten Drogenkonsum.

Die Jugendlichen werden in der Regel von Polizei, Justiz und Jugendhilfe zu „FreD“ vermittelt. Nach einem Einzelgespräch in dem die individuelle Situation, die Eignung und die Motivation des Jugendlichen beleuchtet wird, beginnt der Konsum-Reflexion-Kurs. Dieser ist der Kern von FreD. Acht bis zehn Teilnehmer sollen hier in acht Stunden (die in zwei bis vier Einheiten aufgeteilt werden) ihr Konsumverhalten kritisch hinterfragen. Dabei soll die Rückmeldung zwischen Gleichaltrigen zu den jeweiligen Konsummustern die Einstellung zum eigenen Konsum ändern. Auch die die Hemmschwelle weitere Angebote der Drogenhilfe anzunehmen wird abgebaut. Eine Teilnahmebestätigung, welche in der Regel als Auflage von der entsendenden Stelle abverlangt wird, soll einen gewissen sozialen oder justiziellen Druck aufbauen sich dem FreD-Programm zu stellen.

In Deutschland wird FreD an 116 Standorten mit 236 Trainern (Stand: November 2015) umgesetzt. Besonders in den stark von der Crystal Problematik betroffenen Bundesländer Bayern (derzeit 22 Standorte), Thüringen (7 Standorte) und Sachsen (Standorte in Planung) soll es klientelspezifische Anpassungen geben. So bedarf die kürzere Aufmerksamkeitsspanne der Crystal-User auch kürzere Sitzungen. Auch auf die besondere Gereiztheit der Konsumenten muss FreD mit einem angepasstem Umfeld reagieren.

FreD ist ein Programm zur frühen Drogen und Suchtprävention. Sie richtet sich an Jugendliche am beginn einer „Drogenkarriere“ möglichst wenn sie das erste mal ärger kriegen wegen ihres Suchtmittelkonsum. In dieser Phase sind sie mit bunten Faltblättchen und den üblichen Warnungen vor Drogen nicht mehr erreichbar. Harte Strafen sind bei Konsumentendelikten weder zu erwarten noch zielführend. Jedoch lässt sich durch das Betäubungsmittelgesetz der gewisse Druck aufbauen der nötig ist, um die Konsumenten aus der Wohlfühlzone zu holen. Denn gerade am Anfang wirkt die Welt im Drogenrausch so toll, das man die ohne Druck von außen gar nicht verlassen mag.

Eine Adaption für Crystal Meth und eine Einführung von FreD auch in Sachsen halte ich dringend notwendig. Kinder kann man vielleicht mit Prävention per „Meth-Face-Fotos“ noch abschrecken. Und Konsumenten die schon schwere Suchtprobleme haben, werden über Kranken- und Rentenkassen oder von „Therapie statt Strafe“ für eine Behandlung erreichen. Aber eine Schnittstelle zwischen Prävention und Behandlung, die Kooperation zwischen Strafverfolgern und Jugendschützern in der praktischen Intervention fehlt. Zumindest hier in Sachsen noch.

Der Scheitelpunkt der Crystal-Welle ist noch lange nicht erreicht. Um so wichtiger ist der Aufbau wirkungsstarker Kooperationsstrukturen in der Frühintervention. Ich halte das Konzept von FreD dabei für einen ganz wichtigen Baustein.

Quelle: Dokumentation zur Jahrestagung der Drogenbeauftragten am 6. November 2015  in Berlin